2011

Zwischen Tradition und Moderne - Four Valleys Chor der Woche bei Deutschlandradio Kultur

Von Gerrit Stratmann

Der Chor "Die Four Valleys" wurde 1887 als Männergesangsverein Bremcke in der sauerländischen Stadt Plettenberg gegründet. Zum Repertoire der Sänger gehören aber nicht nur deutsche Volkslieder, sondern auch Pop und Gospel.

Ende der 90er Jahre merkten die Männer des "MGV Bremcke 1887 - Die Four Valleys", wie der Chor vollständig heißt, dass sich etwas ändern musste. Bei den wiederkehrenden Freundschaftssingen hörte man von den Chören aus der Gegend immer wieder die gleichen alten Lieder.

Ein bisschen langweilig war das, erinnert sich Tenorsänger Thomas Eggert:
"Die Leute selber wollen das ja auch gar nicht mehr hören. Man merkt also, die fangen an zu singen, und mit jedem Chor wird der Lärmpegel immer höher, immer höher, weil sich die Leute immer mehr unterhalten, immer weniger zuhören. Das ist total frustrierend auf so einer Veranstaltung dann zu singen."

Der traditionsreiche Männergesangsverein Bremcke zog daraus Konsequenzen. Er startete einen Neuanfang, erweiterte sein Repertoire und gab sich gleich noch einen neuen Namen: "Die Four Valleys", die vier Täler, angelehnt an die sauerländische Heimat des Chores, die Stadt Plettenberg an den vier Flusstälern der Else, Lenne, Oester und Grüne. Die neue Strategie ging auf. Ob beim Mettwurstessen des befreundeten Männergesangvereins Holthausen oder beim Waffelbacken des Sauerländischen Gebirgsvereins: Schon die ersten Auftritte waren schwungvoll und sprachen sich rum.

Neben Thomas Eggert stieß auch Tenor und Solostimme Henning Schewe in dieser Zeit neu zu den Four Valleys:
"Ich bin eigentlich dazugekommen, weil ich mir auch versprochen habe, moderne Chorliteratur zu singen, aber ich komme auch genauso familiär aus der Tradition, also ich hab auch Volkslieder zuhause gesungen, sodass das eigentlich ganz gut zusammenpasst. Wir haben ja eine relativ gesunde Mischung, viel Modernes, aber auch mal ein Volkslied dazu, und genau das ist auch, was hier so reizt an dem Chor, finde ich."

Jörg Alfringhaus singt seit 30 Jahren beim MGV Bremcke. Er hat die Neuorientierung zu den Four Valleys mitgemacht. Andere, erzählt er, haben aufgehört, weil …
"… einige gesagt haben, das ist dann doch nicht mehr so unsere Welt, wir finden's zwar positiv, dass es irgendwie weitergeht, als auch diese Tradition, den alten Verein, aufrechtzuerhalten. Allerdings dann nicht mehr mit diesen älteren Sängern, obwohl wir bis heute auch noch welche dabei haben."

Vorangetrieben hat die neue Ausrichtung des Chores vor allem der neue Chorleiter Thomas Weidebach. Der 35-jährige Lehrer für Deutsch und Musik aus der Nachbargemeinde Kirchhundem erhielt 2001 einen Anruf des Gesangvereins. Kennengelernt hat er den Chor zum ersten Mal auf seiner allerersten Probe:
"Am Anfang bin ich auch ein bisschen überrascht gewesen, weil ich nämlich aus dieser Tradition kam, dass quasi das Nonplusultra war, einmal im Jahr auf so einem Wettstreit zu stehen oder auch Leistungssingen zu besuchen. Als ich dann hier hörte, das haben wir seit 30 Jahren nicht gemacht, da war ich doch etwas überrascht."

Seitdem nimmt der Chor, dessen jüngstes Mitglied heute 15 Jahre alt ist, regelmäßig an Wettbewerben teil, und das mit wachsendem Erfolg. 2007 holten die Four Valleys sogar einen Meisterchortitel, den sie 2012 verteidigen möchten. Und wenn die 25 Männer heute ein Volkslied einstudieren, kann es auch mal ein englisches oder schwedisches sein.

Bei Wettbewerben wird häufig nicht nur der Gesang, sondern auch der Auftritt und die Präsentation des Chores bewertet. Auch da hat Thomas Weidebach am Anfang Nachholbedarf bei den Four Valleys gesehen:
"Es ist immer wieder erstaunlich und teilweise erschreckend, wie Chöre auf die Bühne gehen als hätten sie grad den Trauermarsch hinter sich. Oder vor sich. Singen da egal welche Lieder, die freundlichsten, die tollsten oder auch die traurigsten immer mit der gleichen Miene. Und da sind wir auch noch auf dem Weg, dahin zu kommen, zu sagen, das, was wir jetzt singen, soll wirklich auch so rüberkommen.
Nicht nur durch perfekte Noten oder auswendig gesungenen Text, sondern auch durch Ausstrahlung, Mimik, Gestik, und eben auch mit Unterstützung solch kleiner Elemente wie Darstellung oder auch Tanzschritten."

Neuland haben die Four Valleys dieses Jahr auch auf anderem Gebiet betreten. Weil es für Frauen in Plettenberg keine Gelegenheit gab, moderne, populäre Chorliteratur zu singen, hat der Verein mit "Femme Vokal" kurzerhand selbst einen Frauenchor ins Leben gerufen. Dass sie damit einen Nerv getroffen haben, zeigte sich auf dem ersten Treffen, zu dem im April spontan 70 Sängerinnen jeder Altersstufe erschienen.
Die Gründung des Frauenchores ist ein Beispiel dafür, dass der Verein sich auch für das soziale Leben in der Stadt engagiert. Das hat den Chor schon früher ausgezeichnet, und auch wenn die Four Valleys heute ganz andere Lieder singen.

Mit dieser Tradition, betont der Vorsitzende des Vereins Frank Schmidt, wollen sie nicht brechen:
"Also die Tradition des MGV Bremcke - deswegen gibt's den Namen auch noch immer, MGV Bremcke 1887 - die ist schon noch da und die soll auch da bleiben. Wir sehen uns hier schon sehr verwurzelt in Plettenberg und in Bremcke und ich denk mal, da wird sich auch so schnell nichts dran ändern."

Dass die Four Valleys dennoch in Zukunft immer mehr Bühnen außerhalb ihrer Heimatstadt für sich erobern werden, darf als sicher gelten. Denn heute machen ihnen die Auftritte und das Singen noch viel mehr Spaß als früher.

Frank Schmidt: "Deswegen gehen wir letztendlich auf die Bühne, weil es gibt nichts Tolleres, als die Bestätigung dafür zu kriegen, dass die Arbeit, die man macht, und der Spaß, den man selber an der Arbeit hat, auch von andern mitgetragen wird."

Deutschlandradio Kultur, 15.10.2010

Eintrag vom: 15.10.2010